
Digitalisierung
12.11.2024
Engpassregionen im Spitzensport effektiv behandeln

Neuroathletik meets Physiotherapie
Verletzungen und Überlastungen gehören im Spitzensport zum Alltag. Häufig sind es Engpassregionen – also Körperstellen, die besonders anfällig für Fehlbelastungen sind –, die Athleten aus - bremsen. Physiotherapeut Berengar Buschmann und Neuroathletik-Coach Yassin Jebrini erläutern im Interview, wie sie ihre Ansätze aus der Sportphysiotherapie und Neuroathletik kombinieren, um genau diese Problemzonen zu behandeln. Ihr Ziel: Sportlern dabei helfen, ihre volle Leistungsfähigkeit zurückzugewinnen.
TT-DIGI: Herr Buschmann, können Sie uns kurz die Prinzipien der Sportphysiotherapie erläutern? Wie grenzt sich dieser Ansatz von traditionellen physiotherapeutischen Konzepten ab?
Berengar Buschmann: Aus meiner Sicht unterscheidet sich das Konzept nicht durch einzelne Techniken von der traditionellen Physiotherapie. Vielmehr liegt der Unterschied im breiteren Denkansatz. Dieser verändert die Herangehensweise des Therapeuten, sodass er automatisch mehr Systeme therapiert und diese gegebenenfalls auch spezifischer behandelt als zuvor.
Herr Jebrini, was genau versteht man unter Neuroathletik, und wie setzen Sie sie in der Sportphysiotherapie ein?
Yassin Jebrini: Neuroathletiktraining ist ein neurozentrierter Trainingsansatz – das bedeutet, dass wir das zentrale Nervensystem und die bewegungssteuernden Instanzen ins Zentrum des Trainings stellen. Man kann es sich so vorstellen: Der Körper ist die Hardware, das Nervensystem die Software, und wir arbeiten mit der Software, damit die Hardware besser funktioniert. In der Sportphysiotherapie optimieren wir gezielt die sensorischen Informationen, die Innervation und die motorische Kontrolle der betroffenen Struktur, damit das Nervensystem die Einschränkung nicht weiter als Schutzreaktion aufrechterhält.
Was sind Engpassregionen und warum sind diese bei Spitzensportlern besonders anfällig?
BB: In Engpassregionen verlaufen viele Systeme sehr nah beieinander. Venen, Arterien, Nerven und myofasziale Strukturen stehen oft in engem Kontakt zueinander und beeinflussen auch weiter entfernte Körperstrukturen. Alle diese Strukturen müssen reibungslos miteinander und innerhalb der Systeme gleiten. Kommt es zu Kompensationen oder Schädigungen, wird die Mobilität – also die Funktionalität der besagten Hardware – beeinträchtigt.
Für Spitzensportler ist es besonders wichtig, dass Engpasszonen frei bleiben, da ihre körperlichen Anforderungen extrem hoch sind. Die Belastung, die auf ihren Körper wirkt, ist maximal intensiv.
Können Sie ein typisches Beispiel für eine solche Region nennen?
BB: Ein typisches Beispiel wäre das Ligamentum inguinale, also das Leistenband, oder auf der Rückseite des Körpers der Musculus Piriformis. Beide können angrenzende Nerven beeinträchtigen – also, Schmerzen verursachen –, durch veränderte Spannungszustände die Kraft verringern oder die Mobilität einschränken.
Wie verläuft die Behandlung einer Engpassregion in der Praxis, von der Diagnose bis zur vollständigen Rehabilitation?
BB: In der Praxis ist das sehr vielfältig und individuell. Diagnostisch geht es darum, bei Behandlungen von Engpassregionen differential - diagnostisch herauszufinden, welches der Systeme und welches spezifische Zielgewebe den größten Anteil am Problem hat. Das Ergebnis gibt dann die Richtung für die ersten wichtigen Schritte vor. Benötigt man zum Beispiel Nervendehnung, Rezeptortechniken oder neurozentrierte Techniken? Oder welche Kombinationen wären in diesem Moment besonders wichtig?
Inwieweit lassen sich diese Ansätze auf „normale“ Patienten, also Nicht-Spitzensportler, übertragen?
YJ: Da jeder Mensch ein Nervensystem hat und Bewegung das Ergebnis neuronaler Funktion ist – egal, ob im Alltag oder im Spitzensport – gelten dieselben Prinzipien. Die Intensität kann sich natürlich deutlich unterscheiden.
Wie nachhaltig sind die Erfolge einer neuroathletischen Behandlung bei Engpassregionen?
YJ: Da, wie bereits erwähnt, keine Behandlung vom Nervensystem getrennt werden kann und wir es (hoffentlich) zielgerichtet durch therapeutische Maßnahmen beeinflussen, tragen neuroathletische Aspekte ergänzend zur „klassischen“ Behandlung erheblich zur Beschleunigung der Therapieerfolge bei. Das bestätigen uns regelmäßig alle Therapeuten, die bei uns die Ausbildung absolviert haben.
Vielen Dank für das Interview.
Wer die beiden Referenten persönlich treffen und mehr zum Thema erfahren möchte, kann das beim 1. ARTZT neuro Symposium am 04. und 05. Dezember 2024 in München machen.
Weitere Infos unter: www.artztneuro.com/symposium
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